Wann begeht man beim Arbeitslosengeld II einen Sozialbetrug?
Kurz gesagt: Wer bei seinem Antrag auf Hartz 4 vorsätzlich
unrichtige Angaben macht oder
Veränderungen dem Jobcenter
nicht mitteilt, um mehr Leistungen (insbesondere Geld) zu erhalten, begeht einen Sozialbetrug, wenn die Leistungen tatsächlich gewährt werden. Wenn das Jobcenter dennoch nicht leistet, kann ein versuchter Sozialbetrug vorliegen. Die Angaben, über die getäuscht wird, können sich dabei auch auf ein anderes Mitglied der
Bedarfsgemeinschaft beziehen.
Kann ein Betrug nur bei Antragstellung auf ALG II begangen werden?
Nein. Ein Betrug sowohl bei Antragstellung als
auch durch Untätigkeit
nach Antragstellung begangen werden. Erforderlich sind zunächst objektiv falsche Angaben zu Vermögen, Einkünften, Bedürftigkeit eines Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft usw.
Ein sehr häufiger Fall sind Täuschungen bezüglich der Bedarfsgemeinschaft
bereits bei Antragstellung. Eine solche liegt zum Beispiel vor,
- wenn man sein tatsächliches eigenes Einkommen (ob aus Schwarzarbeit, aus angemeldeter Arbeit, aus Schenkung, Erbschaft usw. spielt dabei keine Rolle) geringer angibt,
- wenn man das Einkommen eines anderen Mitglieds der Bedarfsgemeinschaft geringer angibt,
- wenn man vorhandenes Vermögen von sich selbst oder einer anderen Person der Bedarfsgemeinschaft (das höher ist als das Schonvermögen) geringer angibt,
- wenn man die Kosten der eigenen Unterkunft falsch angibt, weil die Kosten der Wohnung sonst nicht übernommen würden,
- wenn man das Zusammenleben mit einer anderen Person verschweigt (und dadurch z.B. den Regelsatz nach Stufe 1 in Höhe von 446 Euro statt den Regelsatz nach Stufe 2 in Höhe von 401 Euro erhält).
Ein Betrug über Sozialleistungen liegt aber ebenso vor, wenn man als Bezieher von Arbeitslosengeld II (Hartz IV)
Veränderungen bezüglich des Einkommens, des Vermögens oder eines anderen für die Berechnung wesentlichen Umstands
nicht mitteilt.
Man spricht hier von einem
Betrug durch Unterlassen. Dabei gilt, dass man auch Umstände, die eine andere Person der Bedarfsgemeinschaft betreffen, mitteilen muss. Denn § 60 Abs. 1 Nr. 2 SGB I bestimmt, dass, wer Sozialleistungen beantragt oder erhält, Änderungen in den Verhältnissen, die für die Leistung erheblich sind oder über die im Zusammenhang mit der Leistung Erklärungen abgegeben worden sind, unverzüglich mitzuteilen hat.
Kann ein Sozialbetrug nur vorsätzlich oder auch versehentlich begangen werden?
Ein Betrug setzt
immer Vorsatz voraus, also Wissen und Wollen der Tatbestandsverwirklichung. Außerdem muss man gerade die
Absicht haben, jemandem mit den unrichtigen Angaben oder dem Unterlassen richtiger Angaben einen
rechtswidrigen Vermögensvorteil zu verschaffen.
Bei unvorsätzlichem
fahrlässigem Handeln kann eine
Ordnungswidrigkeit vorliegen, die mit einer Geldbuße von bis zu 5.000 Euro geahndet werden kann, die aber tatsächlich in der Praxis oftmals nicht geahndet wird.
Beispiel:
Eine Mutter lebt mit ihrem Kind in einer Bedarfsgemeinschaft. Das Kind ist 17 Jahre alt und hat nun eine Arbeit gefunden, bei der es ein Einkommen von 500 Euro erzielt. Die Mutter weiß von Arbeit und Einkommen, gibt es aber nicht an, damit die Leistungen vom Jobcenter nicht gekürzt werden und sie nicht weniger bekommt.
Beispiel:
Beide Eltern leben mit ihren zwei Kindern in einem Haushalt zusammen und erwarten ein drittes Kind. Beim Antrag wird nun
versehentlich angegeben, dass die Mutter im
5. Monat schwanger ist, wobei sie erst in der fünften Woche ist. Anspruch auf Mehrbedarf besteht aber erst ab der 13. Schwangerschaftswoche. Die Angabe ist also objektiv unrichtig und führt zu mehr Leistungen, obwohl der Anspruch in Wirklichkeit geringer ist. Da die Eltern aber nicht „extra“ falsche Angaben gemacht haben, liegt kein Betrug, sondern nur eine Ordnungswidrigkeit vor.
Welche Strafe droht bei einem Sozialbetrug?
Ein Sozialbetrug kann nach § 263 Abs. 1 StGB mit
Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit
Geldstrafe bestraft werden. In besonders schweren Fällen ist die Strafe sogar Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu zehn Jahren. Ein besonders schwerer Fall kann insbesondere nach § 263 Abs. 3 S. 1, 2 Nr. 1 Alt. 1 StGB vorliegen, wenn man annimmt, dass der Sozialbetrug gewerbsmäßig begangen wurde.
Wenn Sie nicht (insbesondere einschlägig) vorbestraft sind, ist es üblich, dass die Freiheitsstrafe wenige Monate oder maximal ein Jahr nicht übersteigt und die Vollstreckung der Strafe zur
Bewährung ausgesetzt wird. Das bedeutet, dass Sie bei einem „kleineren“ erstmaligen Sozialbetrug in der Regel nicht ins Gefängnis müssen, sofern Sie sich an die Bewährungsauflagen (insbesondere eine straffreie Führung) halten. Es gibt aber durchaus auch Urteile, die auf deutlich mehr als ein Jahr Freiheitsstrafe erkennen. Zusätzlich ist natürlich das
überzahlte Geld zu erstatten.
Die Straftat begeht das
Mitglied der Bedarfsgemeinschaft, das etwas für die Bedarfsgemeinschaft erklärt oder nicht erklärt (obwohl es eine Veränderung anzeigen müsste).
Nur ausnahmsweise kann ein anderes Mitglied der Bedarfsgemeinschaft ebenfalls einen Sozialbetrug (in mittelbarer Täterschaft) begehen, wenn es die anderen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft zum Beispiel über einen neu angetretenen Job in Unkenntnis lässt.
Wenn kein Betrag überzahlt wurde oder der überzahlte Betrag gering ist, kann das
Verfahren auch (gemäß § 153a StPO) mit oder (gemäß § 153 StPO) ohne Auflage
eingestellt werden. Dann wird die Tat nicht ins Bundeszentralregister und damit auch nicht ins Führungszeugnis eingetragen.
In jedem Fall müssen die
Leistungen, auf die kein Recht bestand,
zurückgezahlt werden.
Wie wird ein Sozialbetrug aufgedeckt?
Ein Sozialbetrug, der Leistungen vom Jobcenter betrifft, wird
oftmals aufgedeckt, wenn es auch insbesondere im Bereich nicht angemeldeter Tätigkeiten eine
hohe Dunkelziffer geben dürfte.
Wenn jemand angestellt ist, wird er oder sie oftmals schon durch den
automatischen Datenabgleich mit den Daten beim Jobcenter entdeckt werden. Die Daten, die der Arbeitgeber meldet, werden nämlich mit den Daten des Jobcenter in regelmäßigen Abständen automatisch abgeglichen.
Wenn jemand ohne Anmeldung
„schwarz“ arbeitet, findet ein solcher Datenabgleich natürlich nicht statt. Solche Fälle des Sozialbetrugs werden aber ebenfalls häufig aufgedeckt. Auslöser können
Hinweisgeber sein, aber auch
Gelegenheitsfunde wie etwa bei einer Razzia auf einer Großbaustelle, bei der „Stundenzettel“ von nicht angegebenen Personen gefunden werden.
Bedenken Sie, dass hier Vermögen und Einkünfte jeder Person in der Bedarfsgemeinschaft zu einer
Strafbarkeit führen können. Wenn Sie etwa zu den
Angaben Ihrer Kinder in der Bedarfsgemeinschaft unrichtige Angaben machen, kann dies schon eine Strafbarkeit begründen.
Was soll ich machen, wenn mir Sozialbetrug vorgeworfen wird?
Sie sollten einen
Anwalt aufsuchen! Denn Sozialbetrug ist eine Straftat, die im
Führungszeugnis auftauchen und Ihnen bei der Arbeitssuche Schwierigkeiten bereiten kann.
Bei der Verteidigung ist oftmals die Schwierigkeit, dass die Beschuldigten tatsächlich Umstände in ihrer Bedarfsgemeinschaft nicht kannten oder dass sie z.B. Veränderungen in der Bedarfsgemeinschaft
schriftlich durch Einwurf beim Jobcenter mitgeteilt haben, aber der
Brief auf unerklärbare Weise nicht in die Akte gelangt ist. Die Einlassung, dass man alles gemeldet habe, wird einem dann oft nicht geglaubt.
In der Praxis muss man denn auch oft in den sauren Apfel beißen und sich mit einer
Einstellung des Verfahrens gemäß § 153a StPO (also gegen Auflage)
zufriedengeben. Dann wird einem im günstigsten Fall nur aufgetragen, den überzahlten Betrag binnen sechs Monaten zu erstatten. Im ungünstigeren Fall dagegen muss man darüber hinaus noch einen Betrag wie zum Beispiel 500 Euro an eine
gemeinnützige Einrichtung zahlen oder
Sozialstunden ableisten. Dies ist aber allemal besser als ein Eintrag im Register.
Weil jemand in der Bedarfsgemeinschaft mehr verdient, wird mir Sozialbetrug vorgeworfen, was tun?
Nehmen Sie sich einen Anwalt und besprechen Sie das weitere Vorgehen. In der Regel empfiehlt es sich, dem Jobcenter, der Polizei oder der Staatsanwaltschaft gegenüber sofort mit
offenen Karten zu spielen.
Wenn Sie wissen, dass Sie zu viel bekommen haben, sollten Sie das Geld versuchen, zur Seite zu legen und
möglichst zügig zurückzuzahlen. Dann haben Sie eine
Chance auf eine
Einstellung des Verfahrens. Da die Situation in den verschiedenen Fällen sehr unterschiedlich ist, sollten Sie hier auf
anwaltlichen Rat nicht verzichten.
In der Regel werden Sie vor einer Entscheidung gehört. Nutzen Sie Ihr Recht und kommen Sie beispielsweise einem
Strafbefehl zuvor. Eine Strafe kann die Situation in der Bedarfsgemeinschaft stark belasten und die Bedarfsgemeinschaft (insbesondere auch die Kinder) vor erhebliche
wirtschaftliche Herausforderungen stellen. Eine Einstellung nach §§ 153, 153a StPO ist ohne Ihre Zustimmung übrigens nicht möglich.
Was ist eine Bedarfsgemeinschaft?
Eine Bedarfsgemeinschaft liegt vor, wenn
mindestens ein erwerbsfähiger Hilfebedürftiger und gegebenenfalls weitere Personen (nach § 7 Abs. 3 SGB II) gemeinsam wirtschaften und deren Ansprüche auf Hartz 4 daher gemeinsam berechnet werden.
Wird das Gehalt des Partners bei Hartz 4 angerechnet?
Ja. Wenn Ihr Partner mit Ihnen in einer Bedarfsgemeinschaft lebt, kann dies Ihren Anspruch auf ALG 2 mindern und sogar ganz ausschließen. Wenn Ihr Partner mit Ihnen keine Bedarfsgemeinschaft bildet und irgendwo anders lebt, berührt dies Ihren Anspruch auf Leistungen dagegen nicht, es sei denn, dass er Ihnen Schenkungen macht, die dann bei Ihnen zu berücksichtigendes Einkommen wären.
Wie viel Einkommen darf eine Bedarfsgemeinschaft haben?
Die Frage ist in dieser Form nicht pauschal zu beantworten. Es spielen dabei
viele Umstände eine Rolle wie die Anzahl der Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft, die Höhe des einzusetzenden Vermögens usw.
Man kann jedoch sagen:
Je höher das Einkommen einer Bedarfsgemeinschaft ist,
desto geringer ist der
Anspruch auf Leistungen ausfällt.
Wo kann ich einen Sozialbetrug melden?
Bei jeder Stelle, die für die Entgegennahme von Anzeigen zuständig ist, also bei den Staatsanwaltschaften, den Behörden und Beamten des
Polizeidienstes und den Amtsgerichten. Außerdem können Sie den Jobcentern solche Meldungen machen, die die Informationen dann an die Strafverfolgungsbehörden weiterleiten werden.
Kann ein Verfahren wegen Sozialbetrugs bei Hartz IV eingestellt werden?
Ja. Eine Einstellung ist oftmals die beste Möglichkeit, aus dem Verfahren zu kommen. Gelegentlich kann man auch einen Freispruch erzielen.
Und was ist mit staatlichem Sozialleistungsbetrug – den ich seit Einführung von Hartz IV kenne ? (nur in ganz seltenen Ausnahmefällen geht beim Staat mal was nach dem nur selbstverständlich zu beachtenden GG, Gesetzen und höchstrichterlichen Urteilen – aber auch die sind in zwischen mit Unrechtsurteilen verwässert)